Kapitel 1: Die kaputte Fernbedienung
Dienstag. 17:30 Uhr. Die Tiefgarage wollte nicht.
Ich drückte den Knopf. Nichts. Nochmal. Nichts.
„Komm schon", murmelte ich und hielt die Fernbedienung höher. Als ob das helfen würde.
Immer noch nichts.
Acht Stunden Debugging⁶ bei der Arbeit. Ein besonders gemeiner Memory Leak⁹ in unserem C++ Backend¹⁰. Und jetzt das. Ich stieg aus dem Auto und klingelte bei Herrn Müller, dem Hausmeister. Nach fünf Minuten öffnete er mir die Tiefgarage manuell. Der alte Mechanismus protestierte quietschend.
„Schon wieder?", fragte er. „Das ist diese Woche das dritte Mal."
„Die Fernbedienung spinnt", erklärte ich.
Er zuckte mit den Schultern. „Bei den anderen Mietern funktioniert's."
Der IT-Reflex
19:00 Uhr. Die Fernbedienung lag aufgeschraubt auf meinem Küchentisch. Schrödinger beobachtete mich kritisch von ihrem Lieblingsplatz auf der Fensterbank.
„Die Batterie ist voll", erklärte ich ihr. „3,1 Volt¹¹. Perfekt."
Sie gähnte.
Die Platine¹² sah normal aus. Keine kalten Lötstellen¹³, keine gebrochenen Leiterbahnen¹⁴. Der kleine Chip¹⁵ in der Mitte trug die Aufschrift „HCS301". Ich googelte.
„Rolling Code¹ Keeloq", las ich. „Verschlüsseltes Signal, 66 Bit … "
Rolling Code verhindert Replay-Angriffe¹⁶ – das Signal ändert sich bei jedem Tastendruck, sichtbare Unterschiede im Bitmuster und Timing¹⁷ sind also völlig normal und erwartbar.
Interessant. Aber half mir nicht weiter. Die Fernbedienung schien zu funktionieren – nur die Tiefgarage reagierte nicht.
Fakt: Garagentor-Fernbedienungen nutzen meist das 433,92 MHz⁵ ISM-Band². Die Signale sind oft mit Rolling-Code-Verfahren verschlüsselt, um Replay-Angriffe zu verhindern.
„Wie kann man sowas debuggen?", überlegte ich laut. „Wenn ich wenigstens sehen könnte, ob überhaupt ein Signal rausgeht … "
Schrödinger sprang vom Fensterbrett und strich um meine Beine. Ihre Art zu sagen: „Vergiss die Technik, füll meinen Napf."
Die Entdeckung
20:30 Uhr. Nach Schrödingers Abendessen (Lachs, ihr Lieblingsessen für Dienstage) saß ich wieder am Laptop. Der Suchverlauf wurde immer obskurer:
- „Garagentor Fernbedienung reparieren"
- „433 MHz Signal testen"
- „Funkwellen sichtbar machen"
- „Was ist Software Defined Radio"
Der letzte Link führte mich in ein Rabbit Hole. Software Defined Radio – kurz SDR. Funkempfänger, die alles in Software machen statt in Hardware. Und das Verrückte: Mit einem HackRF One⁴ konnte man nicht nur empfangen, sondern auch senden.
Ein Video auf YouTube. Ein Typ mit wilden Haaren erklärte: „Mit diesem kleinen Gerät könnt ihr ALLES empfangen. Polizeifunk, Flugzeuge, Satelliten, sogar eure Nachbarn!"
Fakt: Software Defined Radio (SDR) demokratisiert den Funkempfang.
Der entscheidende Unterschied zu klassischen Funkgeräten: Bei traditionellen Empfängern ist die Hardware fest auf bestimmte Frequenzen oder Modulationsarten spezialisiert – wie ein UKW-Radio, das nur UKW kann.
SDR hingegen ist ein Universalempfänger. Die gesamte Signalverarbeitung passiert in Software auf dem Computer.
Ein und dasselbe Gerät kann morgens Flugzeuge tracken, mittags Wetterdaten von Satelliten empfangen und abends Garagentore analysieren – nur durch einen Softwarewechsel.
Was früher ein ganzes Labor voller Spezialgeräte erforderte (je Frequenzbereich ein eigenes Gerät für tausende Euro), geht heute mit einem USB-Stick⁸ für 20-300 € und kostenloser Open-Source-Software.
Das ist, als hätte man plötzlich Röntgenblick für die unsichtbare Welt der Funkwellen.
„Ich meine, denkt mal drüber nach", fuhr der YouTube-Typ fort. „Überall um uns herum sind Funkwellen. Ständig. Energie und Information, die durch die Luft fliegt. Und wir merken es nicht mal!"
Ich pausierte das Video.
„Das ist ja wie Debugging", murmelte ich. „Nur für die echte Welt."
Schrödinger miaute zustimmend. Oder sie wollte mehr Lachs. Bei Katzen weiß man nie.
Die Bestellung
21:15 Uhr. Mein Amazon-Warenkorb:
- HackRF One (328,00 €)
- Teleskop-Antenne für 433 MHz (12,99 €)
- Adapter-Set SMA (19,99 €)
- „Software Defined Radio für Einsteiger" – Buch (24,95 €)
385,93 € für die Antwort auf die Frage: „Warum geht meine 20 € Garagentor-Fernbedienung nicht?"
Ich zögerte. Das war völlig übertrieben. Ich könnte einfach eine neue Fernbedienung kaufen. 40 € beim Hersteller.
„Ist wissenschaftliche Neugier", erklärte ich Schrödinger. „Berufliche Weiterbildung. Horizonterweiterung."
Sie putzte sich die Pfote. Ihr Urteil: Uninteressant.
Klick.
Bestellt.
[ ... ]
Möchten Sie wissen, was Marcus mit seinem SDR entdeckt?
Jetzt das komplette Buch lesen